Fazit - oh wie schön ist Canada...
Moin zusammen,
ich hatte ja bereits angedeutet, das ich evtl. noch ein Reisefazit nachreiche.
Ich schiebe ein, das was ich hier beschreibe sind rein subjektive Eindrücke ohne Anspruch auf eine umfassende Ausgewogenheit und ich behaupte auch nicht alles über über unser mittlerweile Traumland zu wissen.
Selbst wenn ich im Laufe der letzten 3 Jahrzehnte Nordamerika etliche Male bereist habe, dort insgesamt bestimmt mehr als ein Jahr verbracht habe und etliche 10.000 km "erfahren" habe: es war überwiegend Urlaub (90%), kein Berufsalltag! Daily business/living ist nochmal etwas anderes.
Inzwischen sind wir wieder halbwegs im dt. Alltag angekommen, die Schlafphasen werden in der Nacht wieder länger. Das Autofahren der letzten Tage hat mir keine große Freude bereitet. Aggression allerorten - ein krasser Gegensatz.
Dieser, nunmehr 3.Trip, nach Nova Scotia war bewusst nicht als Rundreise geplant sondern diente der tieferen Erkundung zweier Regionen: Cape Breton und South Shore.
Cape Breton
Es hat sich bestätigt, das C.Breton eine wirklich beeindruckende Landschaft zu bieten hat, die Infrastruktur hingegen ist eher mäßig ausgeprägt. Einkaufsmöglichkeiten jenseits des reinen Tagesbedarfes bietet eigentlich nur Port Hastings/Port Hawkesbury im Süden und Sydney im Nordosten. Jedoch sind auch diese beiden sehr "überschaubar" in ihren Angeboten, so das der doch recht lange Weg nach Halifax wohl öfters unvermeidbar ist. Das sind dann 3-4 Std einfache Strecke, da wird der Tagesausflug schon recht knapp auch wenn die Fahrt über den Highway entspannt und keinesfalls mit dem Stress unserer überfüllten Autobahnen vergleichbar ist.
Die Restaurant/Hotel/Motel Szene ist irgendwo in den 70/80ern (?) stehengeblieben. Das ist im Urlaub kein Problem, eher reizvoll, auf Dauer vor Ort lebend aber wohl vielleicht doch nicht ganz befriedigend. Da sind wir von unserem Angebot auf dem Dorf vor Bremen etwas verwöhnter.
Die Grundstücksangebote mit/ohne Haus auf Cape Breton sind wie überall in N.S. sehr reichlich, Aussagen von in diesem Bereich tätigen Deutschen auf C.Breton die einen vermeintlichen Mangel suggieren will ich mal lieber nicht kommentieren. Oder doch: dummes, deutsches Geld wird gesucht.
Man muss sich dabei immer bewusst sein, das man auf C.Breton sehr weit weg vom Schuss ist, auch der sehr schöne Bras d'or Lake hat seine Schattenseite - er führt zu teils längeren Fahrten "außenrum unten oder oben" von A nach B.
Zur Strassensituation - insgesamt ist die Qualität gut bis sehr gut, jedoch mit der landestypischen Einschränkung eines spürbaren Schotteranteils. Auch da wo man es evtl. nicht erwartet, endet der Asphalt abrupt und es geht auf Schotter weiter. Pickups sind daher keine Mode sondern logische Folge.
Unser Ford Navi war, im Gegensatz zu Tom Tom Go, nicht in der Lage zwischen befestigten/unbefestigten Verbindungen zu unterscheiden und ein Ford Explorer hat keine allzugroße Bodenfreiheit zudem mit tiefem Spoiler...
Daher ist C.Bretton sicher ideal für Menschen die wirklich Einsamkeit suchen und als Selbstversorger planen - für uns ist es raus.
Den Winter stelle ich mir dort oben auch nicht ganz ohne vor...da kann die Zufahrt von der Strasse zum Grundstück locker zum Adventure Trip werden.
South Shore / Großraum Halifax
In der 2.Woche haben wir den Süden, speziell Küste, aber auch die Lakeland Region erkundet.
Halifax ist wirklich DAS pulsierende Zentrum von N.S. mit allen Vorteilen aber auch den üblichen Nebenwirkungen: deutlich mehr Verkehr, höhere Preise in den Lokalen, (vermutlich) deutlich höhere Preise beim Wohnen.
Inzwischen würde ich sagen, in der Summe aus Halifax/Dartmouth (durch 2 Brücken verbunden) findet man sicher (fast) alles was man braucht. Sicher haben die Großstädte und Provinzen im Westen mehr zu bieten, aber es passt schon auch wenn Halifax selbst nicht einmal ein einziges Warenhaus zu bieten hat.
Der Kreuzfahrthafen, Flughafen (international aber doch kompakt, erinnert uns immer spontan an Bremen; YHZ: 4 Mio Passagiere / 122.000 Flüge vs BRE: 2.5 Mio Pass./ 37.000 Flüge) und die Universitäten bringen Leben in die Stadt.
Das beste aber ist wohl das man gleich in mehrere Richtungen im Umland schnell in die Natur und vor allem ans Wasser kommt. Neben vielen Seen aller Größenordnungen, natürlich der Atlantic - grandios.
Wer nicht darauf angewiesen ist täglich in die City zu pendeln findet mit etwas intensiver Suche sicher sein persönliches Traumdomizil zu bezahlbaren Preisen.
Entfernungen und Verkehr
Ich bin in den gut 2 Wochen ins. 4.100 km gefahren, wohlgemerkt primär Tagesstouren mit nur 2 langen Etappen nach/von Cape Breton.Ja, es läppert sich ganz gut zusammen - auch die kleinste Provinz Canadas hat eine gewisse Größe.
Es heißt, das in N.S. kein Punkt weiter als 56 km von der nächsten Küsten entfernt sei. Haben wir nicht nachgemessen, fühlt sich aber so an. Küstenlänge 7.600 km ? Glaube ich sofort.
Wenn man wo hinfährt, reicht meistens 1 Std aus - die extremen Entfernungen wie im Westen gibts hier nicht. Wie schon erwähnt - die Strassen sind meistens sehr gut (Vorsicht nur vor den fiesen Schlaglöchern bei Starkregen auf den Highways im Stadtgebiet Halifax) und das was neu gebaut wird (einiges!) ist besser als was wir hier inzwischen haben. Ich glaube auch nicht das sich der Asphalt dort schon bei 30+ Grad auflöst obwohl die Trucks etwas mehr wiegen.
Die Spritpreise lagen ohne große Schwankungen um die 0,88 Euro/l Benzin. Ich habe mal aus Neugierde einen Vergleich angestellt: 12.5 l Benzin im Mietwagen vs 10-11 l Diesel in unserem WH im Mixbetrieb. Hierzulande hätten wir wohl die Hälfte mehr bezahlt im Vergleich. Infrastruktur am Highway: perfekt.
Mit den kanadischen Schwerfern werde ich wohl immer hadern, trotz HID sieht man viel weniger und das Fernlicht ist noch immer ein (schlechter) Witz. Ich vermeide daher Nachtfahrten möglichst damit mir kein Reh ins Mietauto rennt.
Übrigens ... ich habe in 2 Wochen gerade mal 2 Jeep GC Summit gesehen, in N.S. fahren viele Jeeps aber dann die einfachen Varianten (Limited) - kein Geld für Schnick und Schnack!
Häuser & Grundstücke
Tja, das zog sich ja wie ein roter Faden durch meine Schnappschüsse. Wir wollten diesmal wirklich intensiver dem Thema auf den Grund gehen, wie baut man, was kostet es, was bekommt man ?
Sehr auffällig war das wirklich
überall For Sale Schilder standen, teils auch einige in einer Strasse und zugleich überall neue Baugebiete erschlossen werden. Neue Jobs entstehen wohl primär in West-/Mittelkanada und wer nicht in Halifax was bekommt...dann wird es eng(er).
Die Erschliessung der Baugebiete erfolgt typischerweise in größerem/längerem Maßstab als hier üblich. Man baut eine Baustrasse (Schotter) in den Wald, bestimmt die Lots, setzt Strommasten und dann wird verkauft. Wohl teilweise auch über Jahre, einige Gebiete sahen so aus. Es herrscht eben ein Überangebot an Land. Man muss sich dabei im klaren sein, das i.d.R. die Strassen nicht asphaltiert werden, das man seinen eigenen Brunnen/Abwasserentsorgung hat und das die Heizung entweder via Strom oder Luft-Wärmepumpe erfolgt. Es gibt i.d.R. keine zentrale Wasser-/Kanal-/Erdgasanbindung. Internet dagegen "immer" (100 MB würde ich aber eher nicht überall erwarten).
Im Gegensatz zu D. sind die neuen Häuser selbst aber dann wirklich schlüsselfertig ("turn-key"), man hängt seine Bilder auf und stellt die Möbel auf. Alle Innenräume sind gemalert, die Küche ist eingebaut + funktionsfertig. Nur beim Keller (sofern vorhanden) wird unterschieden ob "unfinished" oder "full". Aber selbst unfinished bekommt ein deutscher Heimwerker locker selbst fertig zu einer Werkstatt, Gästezimmer oder "mediaroom".
Die Grundrisse ware
alle (ja!, das meine ich genau so!) praktischer und cleverer als das uns hier als Neubau angeboten wird. Die Farbkonzepte sind sympathisch klassisch zurückhaltend, würden wir zu 90% so übernehmen.
Die Qualität/Ausstattung der neuen Häuser hinterließ einen echt guten Eindruck, vielleicht sind da die Canadier da auch gewissenhafter als in USA ? Wirklich hochwertige Küchen, Bäder, Amarturen - das hätte ich zu diesen Preisen nicht erwartet. Wäre hier alles "premium", gegen Aufpreis.
Allein die ganzen Einbauten würden hier hohe Beträge verschlingen, sind aber beim Holzrahmenbau natürlich viel leichter umzusetzen und eine neue Flügeltür für den Wandeinbauschrank kostet im Baumarkt 70 CAD (50 Euro).
Nur zwei Punkte würde ich ändern wollen: die Holzdecken mit ihrer beschränkten Trittschalldämmung und teils die Verarbeitung von Holz im Außenbereich (Holz direkt in Beton..nee). Wärme-/Schalldämmung außen sind aber top.
Makler gibt es viele, auf uns wirkten sie seriös und angenehmer als die hiesigen die gerne so tun als würden sie Wohltaten verteilen und den letzten Schuppen noch schönreden.
Man bekommt Grundstücke teils für'n Appel/Ei, zwischen 2 Strassenseiten kann aber auch mal Faktor 10 liegen: links "Binnenland", rechts "Atlantik-Oceanfront". Wir haben wiederholt wirklich traumhafte Objekte mit einigen 1000 m² Land (davon primär Wald!, eigener Wald!) an der Küste gesehen für um die 400.000 Euro.
Und dann noch das "Luxusproblem" Wasserlage: See (teils riesige) oder Ocean... wir wollen nur noch letzteres.
Tip: wenn ihr was wirklich tolles seht....einfach ein paar Kurven/km weiterfahren: wetten das da noch was besseres kommt?!
Speisen & Getränke
Super, Extra-Pfunde sind vorprogrammiert. Die Steaks zum Niederknien, leckere Burger und natürlich Tim Hortons (dazu war schon genug gesagt). Man bekommt aber inzwischen (Globalisierung!) eigentlich vieles mehr als früher. Nutella, Joghurt und gesundes Essen ist kein Probem mehr. Was mich verblüfft hat waren die teils krassen Preise für Basics wie Butter (um die 4-5 Euro), Mehl, Cerealien (Corn Flakes & co) und bier, während Steaks und Softdrinks spottbillig waren??? Aber ja, Vegetarier bekommen inzwischen auch im Fleischland Canada überall Alternativen.
Deutsche in N.Scotia
Huh, heikles Thema da wir nur wenige, nicht repräsentative Momentaufnahmen haben. Der arrogante Makler aus Hamburg, die unzufriedenen Schwaben die ihr Motel nur führen damit sie in Canada bleiben können, der dt. Restaurantinhaber/Koch der beleidigt auf jede sachliche Kritik reagiert, die Massen aus dem Kreuzfahrtschiff die rauchend und drängelnd durch die Stadt ziehen.
Was für ein Deutschland Bild vermitteln wir da nur?
Daneben gibt es
ganz sicher viele nette Lands-/Ex-Landsleute die gar nicht auffallen und mit denen man gerne Zeit verbringen und sich austauchen würde. Generell wird uns Deutschen stets viel Sympathie/Herzlichkeit entgegengebracht, wenn man sich selbst etwas zurücknimmt und offen ist kann da eigentlich nichts schiefgehen!
Was nehmen die Canadier an Drogen ?
Ja, das war eher scherzhaft gemeint, denn Cannabis ist gerade erst legal geworden. Am Flughafen wird sehr deutlich darauf hingewiesen das man nichts ausführen darf, inkl. eigener grüner (ja!) Tonne zur last-minute Cannabis-Entsorgung vor dem Security Check um Stress zu vermeiden.
Alkohol ist teuer, auch da sind wir hier verwöhnt.
Zu den Drogen, also ich vermutete - das liegt am Wasser: die kriegen das was reingemixt...ach nee, viele haben ja eigene Brunnen..hmm ??
Die generelle Entspanntheit der Canadier ist ungemein beeindruckend und angenehm im täglichen Umgang. Auch wenn sich das kassieren verzögert weil ein "tag" zum Scannen fehlt - man wartet geduldig ohne Meckern die 10 min bis es weitergeht. Ok, es war Samstag.
Das man im Alltag stets Abstand hält, kein Schieben/Drängeln/Anrempeln, das gegenseitige Türaufhalten, das Durchwinken von Fussgängern/Autofahrern ohne auf dem eigenen "Recht" zu bestehen - ja, das alles erhöht das Wohlbefinden ungemein.
Ich hatte mich vor Ort mit Einheimischen darüber unterhalten, die sahen im eigenen Vergleich das die "Maritimes" (Ostküsten-Bewohner) schon deutlich netter wären in den big cities wie Toronto etc. - kann sein?
Auf jeden Fall hilft die Weite des Landes mit der dünnen Besiedlung dabei Fremde/Durchreisende eher als Abwechslung/Bereicherung und nicht als Stressfaktor zu sehen.
Alles gut oder was ?
Nun, im Urlaub sieht man natürlich das Gute verstärkt und blendet manches negative aus. Klar, das weiß ich auch.
Und wenn ich zum Bsp. die spürbar höheren Lebensmittelpreise in Kombination mit den niedrigeren Einkommen drüben sehe - da ist nicht alles rund. Und auch wenn es eine staatliche Krankenversicherung gibt (eher UK als USA Modell) - unser Standard ist klar besser. Auch die langen Urlaube der Deutschen haben sich bis drüber herumgesprochen...
Wessen sich jeder bewusst sein sollte der damit liebäugelt drüben sich einzukaufen - das bedeutet
nicht automatisch das man dann dort dauerhaft leben kann. Und auch
nicht 180 Tage bleiben, eine Woche nach good old germany und retour..da können auch freundliche Canadier sensibel reagieren und "no" sagen. "No" für die nächsten 3 Jahre wenn's dumm läuft.
So, das war's:die finale Rückblende auf unseren Urlaub und vielleicht ein Appetitmacher auf diese kleine sympathische Provinz am Atlantik und das große Land dahinter. Oder (siehe unten..):
Schöne Restwoche,
Tom