Guten Morgen in die Runde,
ich lese grade mit gepflegtem Grusel die Beiträge hier... Dehnungsverhalten von Seilen, abgerissenen Anhängeösen,
"Hauruck-Bergen", usw. In dem Link von Dirk/pixelbrain Post #2 heisst es; ZITAT:
"
entwickelt sich ein Kinetik- seil zu einer gefährlichen Waffe, die für schwere Verletzungen..."
Berufsbedingt habe ich sehr viel mit Stahldrahtseilen zu tun gehabt und dabei leider auch viele Seilabrisse
mitbekommen und untersucht. Davon drei fast-tödliche Seilabrisse und mehrere bei denen alle "nur" einen
gehörigen Schrecken abbekommen haben.
Daher mal folgende Informationen/Sicherheitshinweise weil hier ja doch recht häufig mit (Berge-)Seilen hantiert wird:
- es ist relativ unerheblich ob ein Hanf-, Nylon-, Stahldrahtseil reisst.
Die Abrisscharakteristik ist weitgehend identisch.
Stahldrahtseile sind am gefährlichsten, weil die geschoßartige Einzeldrahtsplitter entwickeln können;
siehe Bild unten. Die wirken dann wie Flechets (https://de.wikipedia.org/wiki/Flechet).
- der Seil-Durchmesser hat Einfluss auf die Gefährlichkeit - je größer je schlimmer - aber auch augenscheinlich
dünne Seile können lebensgefährlich werden.
- immer Deckung / ausreichend Abstand suchen und beim Bergen NIEMALS direkt neben oder hinter dem Seil stehen.
Wird das beachtet hat der Fahrer des bergenden Fahrzeugs trotzdem noch die gefährlichste Position.
So'n Seil zerhaut bei Abriss auch locker eine Windschutzscheibe.
- Seile sind mechanisch wesentlich empfindlicher als man das eigentlich annimmt.
Insbesondere gegen Verdrehung (es gibt auch verdrehungsfreie Seile, aber das ist oft auf den 1.-sten Blick nicht erkennbar).
Knicke, Klanken, äußerer Verschleiss (Durchmesser-Verringerung, Abplattung) und Korrosion
können die Bruchlast drastisch reduzieren. Ein Bergeseil hat dann z.B. nicht mehr die angegebenen 12t,
sondern nur noch z.B. 7,4t - und bei der nächsten Lastspitze kracht's.
- ist eigentlich selbstverständlich: man sollte wissen was die Verbindungskomponenten ab können.
Wenn die Öse 10t kann, das Seil aber "nur" 8t, hat das Gesamtsystem eben nur die 8t.
- die Seilendverbindung sollte korrekt angebracht sein. Bei Schäkeln ist das nicht so schwierig, aber davor bei
den Seilkauschen, -klemmen, -pressungen, knoten kann man einiges falsch machen.
Führt jetzt hier viel zu weit... einfach mal googeln bei Interesse.
- auch Seile mögen Wartung B)
regelmäßige Prüfung auf äußerliche mechanische Beschädigungen und bei Stahldrahtseile auf Drahtbrüche.
Stahldrahtseile leben länger und besser wenn sie geölt / gefettet sind.
- beim Aufwickeln auf die Winde wenn's geht nicht "kreuz-und-quer" aufwickeln, sondern nach Möglichkeit
Seillage neben Seillage. Wenn die Seillagen plan liegen ist das besser für's Seil.
- Lastspitzen, also das "Hauruck-Bergen" werden/wird sich niemals komplett vermeiden lassen.
Trotzdem besser unsportlich und mit möglichst wenig Rumms an die Bergerei rangehen.
Die Lastspitze führt letztendlich zum Seilabriss.
- achtet auch mal auf Untergrund und Gestrüpp durch das dass Seil gezogen wird.
Das Verhaken des Seils und die entstehende Reibung sind zusätzliche mechanische Beanspruchungen
der Bruchlast.
Und hier mal ein paar Bilder zum Thema.
- Bild 1 zeigt die Geschosswirkung von Drahtseilsplittern.
- Bild 2 einen Bruchlast-Test mit Seilabriss. Die kinetische Energie lässt sich erahnen
beim Blick auf die doch recht wuchtige Abdeckung. Das abgerissene Seil befindet sich
hinten links unter der Abdeckung.
- Bild 3 wie sich ein D=46mm(!) Stahldrahtseil plastisch verformt nach Abriss.
Sieht jetzt aus wie'n Bindfaden.
In diesem Sinne allzeit gute und sichere Bergearbeit beim Jeepern & Grüße,
eurmal